DER STREITFALL
Der Kläger war als selbstständiger Busunternehmer bei der beklagten Berufsgenossenschaft pflichtversichert. Er bewohnte ein Haus, dessen Wohnzimmer er als häuslichen Arbeitsplatz (Homeoffice) für Büroarbeiten nutzte. Am Unfalltag holte der Kläger seine Kinder von der Schule ab und ging dann zum Arbeiten an seinen Schreibtisch. Nachdem er festgestellt hatte, dass die Heizkörper im ganzen Haus kalt waren, begab er sich zur Überprüfung der Kesselanlage in den Heizungskeller. Beim Hochdrehen des Temperaturschalters kam es aufgrund eines Defekts der Heizungsanlage zu einer Verpuffung im Heizkessel. Dabei erlitt der Kläger eine schwere Augenverletzung. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab.
DIE ENTSCHEIDUNG
Vor dem BSG gewann der Kläger. Bei dem Vorfall handelte es sich um einen Arbeitsunfall: Das unfallbringende Drehen am Temperaturregler seiner Heizung steht in einem sachlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers im Homeoffice. Der Kläger hat nicht nur die Privaträume seiner Kinder, sondern auch seinen häuslichen Arbeitsplatz mit höheren Temperaturen versorgen wollen. Die Benutzung des Temperaturreglers war deshalb objektiv unternehmensdienlich und der Heizungsdefekt damit kein unversichertes privates Risiko. Bei unternehmensdienlichen Verrichtungen sind auch im Homeoffice die von privaten Gegenständen ausgehenden Gefahren versichert. Die Möglichkeiten, häusliche Arbeitsplätze sicher zu gestalten, rechtfertigt keine Einschränkung des Versicherungsschutzes. Der Versicherungsschutz ist nicht an eine erfolgreiche Prävention geknüpft.
BSG, Urteil vom 21.03.2024, Az.: B 2 U 14/21 R
DAS BEDEUTET FÜR SIE
Das Urteil ist für Arbeitnehmer positiv zu bewerten. Denn das höchste deutsche Sozialgericht macht deutlich, dass die Kontrolle einer defekten Heizung im Homeoffice nicht nur privat veranlasst ist. Sie fällt auch in den Bereich der betrieblichen Veranlassung – schließlich ist es für Beschäftigte kaum zumutbar, in einer eiskalten Wohnung am Schreibtisch zu sitzen. Betriebsräte sollten die Gelegenheit nutzen, um die Kollegen, die (auch) im Homeoffice tätig sind, über dieses Urteil zu informieren.